Die Feindbilder im „Bremer Predigtstreit“

Sicher habt ihr bereits gehört von der Debatte rund um die Predigt des Bremer Pfarrers Olaf Latzel – inzwischen wohl als „Bremer Predigtstreit“ in die Annalen der Kirchengeschichte eingegangen. Ich will hier mal nichts zu der Predigt selbst sagen (das haben andere bereits trefflich erledigt), sondern über die Reaktionen, die sie auslöste. Daran kann man nämlich eines der Kernprobleme zeigen, das wir als Kirche heute in meinen Augen haben.

Alles ging damit los, dass die wichtigsten kirchlichen Medien ende Januar über die Predigt berichteten. Da war natürlich der epd, aber auch die evangelikale „Nachrichtenagentur“ idea1, die mit einer Meldung aufwarteten.2 Spannend ist der Vergleich dieser Meldungen.

idea titelte „Heftige Kontroverse um evangelikalen Pastor in Bremen“ und zitierte die Predigt von Latzel folgendermaßen:

Er hatte sich in seiner Predigt am 18. Januar dagegen gewandt, die Unterschiede zwischen Christentum und Islam zu verwischen: „Es gibt nur einen wahren Gott. Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Das ist Sünde. Das darf nicht sein. Davon müssen wir uns reinigen. Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Latzel rief Christen auch dazu auf, Buddha-Figuren aus ihren Wohnungen zu verbannen.

Beim Lesen des Berichts des epd („Nach Religionsbeleidigung geht Bremer Kirche auf Distanz zu Pastor“) konnte man wiederum meinen, es ginge um eine völlig andere Predigt. Dort hieß es:

In einer Predigt hat der Bremer Pastor Olaf Latzel in der St.-Martini-Kirche andere Religionen massiv beleidigt. Das islamische Zuckerfest bezeichnete Latzel als „Blödsinn“, Buddha als „dicken, fetten Herrn“ und den Segen des Papstes „Urbi et Orbi“ als „ganz großen Mist.“ Zum Umgang mit Reliquien in der katholischen Kirche sagte der evangelisch-konservative Pastor, „der ganze Reliquiendreck und -kult ist heute noch in der katholischen Kirche verbreitet.“ Bremens leitender evangelischer Theologe Renke Brahms bezeichnete die Predigt Latzels als „geistige Brandstiftung.“

Alles andere als Neutral

Man braucht kein Exeget zu sein um zu erkennen, dass es hier – obgleich beide Texte formal neutral berichten – alles andere als neutral zugeht. Der epd-Text reduziert die Predigt von Latzel auf „massive Beleidigungen“ anderer Religionen. Es wird der Eindruck vermittelt (und auch im Munde eines Bremer Theologen ausgesprochen), die Predigt sei reine „geistige Brandstiftung.“

Der idea-Text wiederum gibt die vermutliche Predigt-Intention angemessen wieder, verschweigt die beleidigenden Passagen jedoch komplett. In dieser Version der Ereignisse liest es sich so, als würde Latzel von seiner Landeskirche angegriffen, weil er verkündigt hat, dass „es […] nur einen wahren Gott“ gebe.

Auf beiden Seiten Feindbilder

Mein Punkt ist: Beide Versionen der Geschichte sind irgendwie irreführend. Das innerkirchliche Problem, dass anhand dieser Predigt erneut aufgebrochen ist, liegt nicht darin, dass Latzel ein „Hassprediger“ ist, der andere Religionen beleidigt. Der Prediger selbst hat sich mehrmals ausdrücklich für seine vom epd zitierte Wortwahl entschuldigt. Trotzdem bleibt das Problem.

Latzels Anhänger wiederum behaupten, dass die inzwischen extrem liberalisierte evangelische Kirche einfach keine „klare christliche Botschaft“ mehr verkrafte. Auch das ist Unsinn, macht aber das eigentliche Problem deutlich. Wir als Kirche haben ein Kommunikationsproblem. Auf beiden Seiten werden Feindbilder beschworen, die so mit der Realität nichts zu tun haben. Idea-Leser haben keine Ahnung davon, was an deutschen theologischen Fakultäten heutzutage gelehrt wird und Theologen wiederum scheinbar keine Ahnung, was die Frömmigkeit pietistisch geprägter Christen ausmacht.

Ich finde, in dieser Spannung liegt ein wichtiges theologisches Arbeitsfeld unserer Zeit. Wie können wir die verschiedenen Theologien verschiedener Menschen miteinander ins Gespräch bringen? Ich würde mir von meinen Mittheologen weniger Geläster gegen „diese Nazis“ und mehr konstruktives Nachdenken wünschen. Genauso wünsche ich mir von der Bremer St.-Martini-Gemeinde und allen, die so wie sie denken, die Bereitschaft, die eigene Positionen kritisch zu diskutieren. Denn keiner von uns ist im ausschließlichen Besitz der Wahrheit.

  1. Mit idea habe ich in der Vergangenheit schon Hünchen gerupft, und zwar hier: „idea ist keine Nachrichtenagentur“

  2. Scheinbar gehört zum seriösen Auftritt als Nachrichtenagentur unbedingt ein Akronym in Kleinbuchstaben.