Einheitliche Micropayments sind kein Allheilmittel

Im Nachglühen der Mitteilung, dass Amazon-Chef Jeff Bezos die Washington Post gekauft hat, sind viele deutsche Online-Journalisten verständlicherweise besorgt über die Nachhaltigkeit ihres Mediums.

Richard Gutjahr schreibt auf Spiegel Online:

Über all die Jahre des Jammerns und des Power-Lobbyings für das Leistungsschutzrecht haben es die Verlage schlicht und ergreifend versäumt, ihren Lesern eine frustfreie Bezahlmöglichkeit zu bieten. Was spricht gegen eine einheitliche Micropayment-Plattform für alle Häuser, vielleicht sogar gekoppelt an die monatliche Telefonrechnung? Wichtig: Eine Lösung für alle – nicht wieder jeder Verlag für sich. Man meldet sich ja auch nicht bei 20 verschiedenen iTunes-Stores an, um im Netz seine Lieblingsmusik zu bekommen.

Der Beitrag ist sehr gut geschrieben und spricht eine längst bekannte Wahrheit über das Verlagswesen aus: Die großen Verlage verschenken potentielle Einnahmen, weil sie den Lesern keine attraktiven Bezahlangebote bieten.

Als Lösung empfiehlt (verlangt?) er eine einheitliche Micropayment-Plattform à la iTunes. Man soll mit wenig Geld und Aufwand für einzelne Artikel bezahlen können, sozusagen als Impulskauf beim Frühstück.

Und der Vergleich mit iTunes scheint auf den ersten Blick plausibel – Apple hat mit iTunes (und noch mehr mit dem App Store) eine Goldgrube in Sachen Micropayments erfunden. Das Gutjahr den Verlagen empfiehlt, diese Strategie zu imitieren, ist also verständlich.

Ich glaube aber nicht, dass diese Rechnung aufgehen wird.

Zum ersten ist es fragwürdig, ob sich die Verlage jemals auf ein Bezahlsystem einigen würden. iTunes funktioniert ja nur, weil es ein Quasi-Monopol in seiner Branche hat. Kein Verlag hat Lust, sich seine Gewinne mit einem „Zwischenhändler“ zu teilen (Apple streicht für einen Platz auf seinem App Store bekanntermaßen beachtliche 30% aller Umsätze ein). Keines der großen Musiklabels ist glücklich darüber, dass der Großteil ihrer Verkäufe über Apples Ladentisch gehen (und andersherum würde Apple sich nur über seine Leiche einen App Store mit Amazon oder sonstiger Konkurrenz teilen).

Deshalb wollen die Zeitungsverlage den zweiten Weg gehen: Eigene Systeme entwickeln, die sie selbst kontrollieren. Denn wenn man selbst die nötigen Ressourcen hat, warum sollte man sich die Gewinne dann mit einem Micropayment-Provider teilen? Ich glaube aber nicht, dass sie das adäquat hinbekommen. Wie auch Stephan Dörner auf online-journalismus-blog.com vermutet:

Nach allem, was ich aus Vorstandsetagen deutscher Verlagshäuser mitbekommen habe, halte ich es für ausgeschlossen, dass die Verlage in absehbarer Zeit selbst zu Technologie-Konzernen werden. Menschen, die in solchen Konzernen hohe Positionen bekleiden, wissen nicht einmal, wie man eine App installiert.

Aber auch Dörner schlägt als Lösung vor, dass sich die Verlage an eine dritte Partei wenden:

Vielleicht schafft Bezos ja endlich das iTunes für journalistische Inhalte auf seiner Kindle-Plattform und rettet damit die Verlage aus ihrer selbst verschuldeten Unfähigkeit. Dem Journalismus wäre es zu wünschen.

Wie oben bereits beschrieben, halte ich es für unwahrscheinlich, dass sich die Verlage freiwillig auf so etwas einlassen würden. Aber davon abgesehen klingt das eben zitierte Szenario sowieso eher wie ein dystopischer Albtraum.

Stellt euch das doch mal vor: Amazon als Gatekeeper über allem Journalismus, der online verkauft wird! Bei Apps haben wir diesen Zustand mit Apple: So ziemlich alle Apps (und absolut alle auf iOS-Geräten) werden von Apple kontrolliert und werden an Apples (manchmal willkürlichen) Maßstäben gemessen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Übertragung eines solchen Systems gut für den Journalismus sein soll. Guter Journalismus muss doch unabhängig sein!

Bei der Musik ist das für den Verbraucher nicht so wichtig. Woher er seine Songs bekommt ist ja egal, bei Amazon oder Apple oder Google bekommt man ja überall die gleichen Titel angeboten.

Aber beim Journalismus sind die Inhalte ja wohl (hoffentlich) nicht identisch und es ist den Lesern nicht egal, ob sie die Süddeutsche oder den Stern lesen (wieder: hoffentlich).

Wer bei der Sache auf jeden Fall verliert, sind die Unabhängigen. Die Indie-Labels werden auf iTunes mies behandelt und für freie Journalisten sehe ich da ganz ähnliche Probleme kommen.

Das sich die Verlage etwas Neues ausdenken müssen, um am Ball zu bleiben, finde ich auch. Das es mit einer „einheitlichen Micropayment-Plattform“ getan wäre, sehe ich jedoch kritisch!