Was Jesus mit Matsch-Raupen zu tun hat

Metamorphose. In der Biologie bezeichnet der Begriff die Verwandlung eines Lebewesens in eine neue Gestalt. Eine Raupe verwandelt sich in der Metamorphose in einen Schmetterling. Diese Verwandlung ist ein klassisches katechetisches Motiv, um die Auferstehung Jesu zu verdeutlichen, oder die Wiedergeburt eines Christen. Etwas Altes stirbt, etwas Neues entsteht.

Vor einiger Zeit lernte ich durch den großartigen Radiolab-Podcast ein Detail dieser Metamorphose (die der Raupe, nicht die von Jesus!), welches uns im Konfirmandenunterricht vorenthalten wurde: Die Metamorphose ist nicht nur ein theologisches Wunder, sondern auch ein biologisches: Die Verwandlung einer Raupe in einen Schmetterling ist „one of the most mysterious black boxes of nature.“

Wenn man den Kokon, in dem sich eine Raupe gerade auf den Weg zum Schmetterling macht, vorzeitig öffnet, findet man darin keine Raupe mit Flügeln oder eine andere Übergangsform. In dem Kokon ist … nichts. Nur Raupen-Muß. Die Raupe löst sich völlig auf. Sollte die Raupe zwischenzeitlich wirklich tot sein? Wie ist das möglich, wird eine Wissenschaftlerin im Podcast gefragt. Ihre Antwort:

That question is the big fat metaphysical quasi-religious semi-mystical philosophical question that people have asked forever.

Schon im Mittelalter stellten die Leute diese Frage. Die offensichtliche Antwort war damals: Die Raupe stirbt tatsächlich. Das Erwachen des Schmetterlings im Kokon, die Metamorphose, ist eine Neuschöpfung, ein Vorgeschmack auf unsere Neuschöpfung nach dem Tod.

Aber sind wir dann wirklich „ganz neu“? Jeder Christ hat schon mal darüber nachgedacht, ob er oder sie denn im Himmel, als neue Kreatur, sich noch an ihr Leben auf der Erde erinnern wird. Eine berechtigte Sorge, immerhin sagte schon Jesus, dass es im Himmel zum Beispiel kein Verheiratetsein mehr geben würde. Gibt über die Auferstehung hinaus so etwas wie eine bleibende Identität?

Wie ist das denn mit unserer Matsch-Raupe? Es stellt sich heraus, dass bei Raupen im Kokon winzige Teile des Gehirn intakt bleiben. Es wurde experimentell bestätigt, dass sich Erinnerungen der Raupe auf den Schmetterling übertragen, obwohl die Raupe zwischenzeitlich komplett Matsch ist.

So richtig tot scheint die Raupe also nie zu sein. Sie behält ihre Identität. Freilich lassen sich daraus keine zweifellosen Aussagen über das Leben nach dem Tod ableiten. Die Möglichkeiten zur metaphorischen Ausschlachtung dieser ganzen Geschichte bleiben trotzdem schier unbegrenzt.