Jeder ist ein Typograf – Matthew Buttericks „Practical typography“

Ich habe gerade etwas zu Ende gelesen, das schon lange in meiner Instapaper-Liste rumlag: Matthew Buttericks Practical typography.

Das Vorwort ist von dem berühmten deutschen Typographen Erik Spiekermann, also liegt hinter dem Buch eine gewisse Autorität.

Du bist ein Typograph!

Buttericks Hauptargument: Jeder der irgendwie Texte produziert – und wenn’s nur eine Mail ist – ist ein Typograf, ein Schriftsetzer. Deshalb sollte gute Typografie Allgemeinwissen sein. Du bist ein Typograf. Verhalte dich entsprechend!

Im Weiteren erklärt er in klarem Englisch was man tun muss, damit die eigenen Texte gut aussehen. Von sehr einfachen Dingen (richtige Punktuation) bis zu komplexeren Problemen (Zeilenabstände und Seitenränder) wird alles abgedeckt.

Wirklich praktisch

Das Entscheidende ist, dass er nicht einfach sagt, was man zu tun hat. Er erklärt auch warum man es tun sollte und warum die Beschäftigung mit Typografie wichtig ist. Man muss nichts über Typografie wissen, um dieses Buch zu verstehen. Es sind ganz praktische Ratschläge, die leicht zu verstehen und zu befolgen sind. Die meisten Kapitel haben kurze Anleitungen für Word, Pages und CSS dazu, wie die gute Typografie in die eigenen Dokumente kommt.

Was mir auch sehr gefällt sind seine Randnotizen. Das Buch ist voll von spannenden Fakten über Schriftsetzung und Font-Trivia. Zum beispiel gibt es ein interessantes Kapitel über die Geschichte von Times New Roman.

Sein Schreibstil ist locker und nicht oberlehrerhaft. Und das Buch ist nicht mal sehr lang. Es hat mich nur zwei Abende gekostet; die meisten Kapitel sind kurz und in sich geschlossen, also kann man es in kleinen Happen lesen.

Was fehlt

Obwohl Butterick hauptsäclich über Drucksachen redet, kommt er auch auf digitale Schrift zu sprechen, aber weniger detailliert als ich es mir gewünscht hätte.1

Eine Sache über die ich sehr gern mehr gelesen hätte sind tiefergehende Erklärungen dazu, was eine Schriftart gut oder schlecht macht. Er zählt eine ganze Reihe von schlechten Fonts (und bessere Alternativen2) auf, aber erklärt nie worauf man bei Schriften eigentlich achten soll.

Etwas anderes, das zu kurz Anklang, ist die Frage, wie man Text und Zwischenräume ausbalanciert. Wie bringe ich einen guten Rhytmus auf die Seite?

Weitersagen

Der Autor hat entschieden, dieses Buch als eine Webseite zu veröffentlichen. Und es ist – unglaublicherweise – völlig kostenlos! Im Kapitel How to pay for this book erklärt Butterick, dass man bezahlen kann, indem man das Buch weiterempfieht.3 Das werde ich also tun. Ich empfehle es von Herzen. Du bist ein Typograf und solltest dieses Buch lesen!

  1. Der schlimmste Teil des Buches? Der wo Butterick meint man solle HTML-Tabellen für Layouts verwenden. Aber ich denke ich kann ihm das verzeihen. 

  2. Er sagt, dass die meisten kostenlosen Fonts einfach schlecht designt sind. Er zählt zwei Ausnahmen auf: Charter und Source Sans. Ich stimme ihm zu; diese Fonts sind’s, die ich jetzt für diese Seite verwende. 

  3. Es ist ziemlich offensichtlich, dass das Buch im Grunde Werbung für Buttericks eigene professionelle Fonts ist (die sehr hübsch sind). Das ganze Buch ist in seinen Schriften Equity und Concourse gesetzt.